Arzneimitteleinnahme - Der richtige Zeitpunkt

Teil 1: Allgemeines

Morgens, mittags oder abends? Vor oder nach dem Essen? Wie lange vorher ist eigentlich „vor dem Essen“? Dies sind einige Fragen, die immer wieder auftauchen und ebenso oft zu Missverständnissen und Anwendungsfehlern führen. Leider lassen sich nur für wenige Fälle allgemeingültige Regeln auf-stellen. Der nachfolgende Artikel soll daher insbesondere darstellen, worauf zu achten ist, und dass es häufig für den Therapieerfolg entscheidend sein kann, dass die Einnahmehinweise befolgt werden.

Die meisten Arzneimittel werden oral verabreicht, also geschluckt, und auf diesen Darreichungsweg soll sich dieser Beitrag auch beschränken. Feste Arzneiformen (Tabletten, Dragees, Kapseln) sollten immer mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden (mindestens 125 ml). Getränk der Wahl ist kaltes Leitungswasser, mit dem man eigentlich nie etwas falsch machen kann. Durch heiße Getränke können Filmüberzüge der Tabletten oder Kapseln frühzeitig zerstört werden. Tee, Kaffe, Milch oder Fruchtsäfte bergen zum Teil ein erhebliches Störungspotential und sollten vermieden werden, falls sie nicht ausdrücklich empfohlen sind. Feste Arzneiformen gelangen in den Magen, wo sie üblicherweise zerfallen und der Wirkstoff sich in der vorhandenen Flüssigkeit löst. Hierfür ist eine ausreichende Menge Flüssigkeit wichtig, so dass es nie ausreicht, die Tablette nur mit einem Schlückchen herunter-zuspülen oder gar ohne Flüssigkeit einzunehmen. Die Lösung des Arzneistoffs ist Voraussetzung da-für, dass er ins Blut aufgenommen werden kann (Absorption). Das geschieht, nachdem er vom Magen in den Dünndarm transportiert wurde. Dieser ist aufgrund seiner riesigen Oberfläche das wichtigste Absorptions-Organ, über das Nahrungsinhaltsstoffe und eben auch Wirkstoffe in den Körper aufge-nommen werden. Der Arzneistoff gelangt also in gelöstem Zustand vom Dünndarm ins Blut und wird auf diesem Wege im Körper verteilt. In welchem Ausmaß er in welche Gewebe eindringt hängt im Wesentlichen von seinen physikalisch-chemischen Eigenschaften ab. Hier ist es wichtig, dass ausrei-chende Konzentrationen erreicht werden, damit der Arzneistoff mit seinen Zielstrukturen in Wechsel-wirkung treten und damit wirken kann.

Durch die Wahl des richtigen Einnahmezeitpunktes können insbesondere die Geschwindigkeit des Wirkungseintrittes und das Ausmaß der Arzneistoffabsorption beeinflusst werden. Im folgenden wer-den einige Beispiele dafür beschrieben. Es ist wichtig zu wissen, dass die Einnahmeempfehlung „vor dem Essen“ immer „mindestens eine halbe Stunde vor dem Essen oder frühestens zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit“ bedeutet.

Voraussetzung für einen schnellen Wirkungseintritt ist, dass eine Tablette bzw. Kapsel schnell zerfällt, der Wirkstoff sich zügig auflöst und in den Dünndarm gelangt. Dies geschieht in der Regel dann, wenn das Arzneimittel auf nüchternen Magen eingenommen wird, und ist dann wünschenswert, wenn akute Beschwerden behandelt werden, also z.B. Gelenk- oder Kopfschmerzen. Schmerzmittel, die für die Behandlung akuter Schmerzen eingesetzt werden, können also durchaus vor dem Essen eingenommen werden. Die Magenverträglichkeit von entzündungshemmenden Schmerzmitteln (ASS, Diclofe-nac, Ibuprofen usw.) wird dadurch meist nicht schlechter, als sie ohnehin schon ist, allerdings kann dies individuell sehr unterschiedlich sein. Werden diese Mittel zur Behandlung chronischer Schmerzen regelmäßig verwendet, ist eine Einnahme aufgrund der (subjektiv) besseren Verträglichkeit nach den Mahlzeiten zu empfehlen (Ausnahme: magensaftresistente Tabletten oder Kapseln, s.u.).

Retardtabletten oder –kapseln zerfallen nur sehr langsam oder (je nach Technologie) gar nicht. Der Wirkstoff wird nur langsam während der Magen-Darm-Passage aufgelöst, so dass auf diese Weise eine lange, gleichmäßige Wirkung erzielt werden kann und Blutspiegelspitzen, die oft für Nebenwirkungen verantwortlich sind, vermieden werden. Diese Arzneiformen werden häufig zu oder nach den Mahlzeiten eingenommen, teilweise hat die Nahrung keinen Einfluss. Hier ist die Gebrauchsanweisung zu beachten!

Magensaftresistente Tabletten oder Kapseln besitzen einen Überzug, der sich in der Magensäure nicht auflöst, so dass sie erst im Dünndarm zerfallen. Diese Technologie wird beispielsweise verwendet, um säureempfindliche Arzneistoffe zu schützen, oder auch den Magen vor magenschädigenden Arzneistoffen. Solche Tabletten dürfen nicht geteilt bzw. entsprechende Kapseln nicht geöffnet werden. Die Einnahme sollte immer mindestens 30 Minuten vor dem Essen auf leeren Magen mit kaltem Wasser erfolgen. Werden sie mit der Mahlzeit eingenommen, so besteht die Gefahr, dass sich der Überzug durch die Pufferwirkung von Nahrungsbestandteilen oder Wärme zu früh auflöst und Unverträglichkeiten entstehen. Oder es dauert erheblich länger bis die Wirkung eintritt, da Nahrungsbestandteile, die im Magen nicht weiter zerkleinert werden, den Magen erst in der nächsten Nüchternphase verlassen. Im Extremfall, wenn z.B. viele Zwischenmahlzeiten eingenommen werden, können sich die Tabletten über den gesamten Tag im Magen ansammeln, verlassen erst in der Nacht den Magen und können auch erst dann wirken.

Der richtige Einnahmezeitpunkt hängt also ab von dem Arzneistoff, seiner Zubereitungsform und evtl. auch von der Art der aufgenommenen Nahrung. Daher lassen sich für ihn keine allgemein gültige Regeln aufstellen, so dass es sich immer lohnt, die Angaben in der Packungsbeilage zu beachten oder beim Arzt oder Apotheker nachzufragen.

 

Dr. Kai Kreutzmann - Apotheker


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